Willkommen auf unserem Blog!

Wir sind zwar gerade nicht vor Ort, aber auch nicht aus der Welt... Wir möchten Euch mit diesem Blog auf dem Laufenden halten, wie es uns in Brasilien gefällt, was wir erleben und denken, einfach wie es uns so geht. Wir freuen uns, wenn Ihr mit uns auch News aus der Heimat teilt und uns auf dem Laufenden haltet! Beijos!!!

Donnerstag, 23. Februar 2012

Eine Nacht in Rios Sambodrom

Jetzt kommt der Highlight-Post! Also für uns war es, wie gesagt, ein absolutes Highlight – jetzt hoffe ich nur, dass ich das hier auch so rüberbringen kann.

Wir erinnern uns kurz: es ist Faschingssonntag, wir haben einen chiligen Tag am Strand verbracht, waren schön Abend essen und sind erst um 21:30 Uhr wieder im Hotel angekommen. Etwas müde. Wie wir aus dem Fernsehen wissen, ist die 1. Sambaschule bereits dran. Aber: wenn nicht jetzt, wann dann?! Also auf geht´s zur größten Karnevalsparty der Welt: in Richtung Sambódromo. Auf geht´s in Richtung Schwarzmarkt, in der Hoffnung, dass wir noch Karten ergattern, dass wir nicht allzu sehr über den Tisch gezogen werden und dass wir Karten bekommen, die nicht gefälscht sind.

Der Taxifahrer war uns in zweierlei Weise keine große Hilfe. Zum Einen hat er uns an einer Ecke rausgelassen, wo ich unter normalen Umständen (also ohne Straßensperrungen und Verkehrschaos) niemals ausgestiegen wäre. Zum Anderen weil er mir meine Ängste vor dem Ticketkauf nicht nehmen konnte: „Kann sein, dass ihr noch Karten bekommt, kann aber auch nicht sein!“ Tolle Auskunft!

Wir also schnurstracks durch diese dubiosen Gassen gehuscht: nicht reden, damit man nicht hört, dass wir Ausländer sind. Hoffentlich sieht man mir an meinem Gesichtsausdruck nicht an, dass wir ein paar Hunderter dabei haben – die werden auf dem Schwarzmarkt ja sicher nur Cash nehmen?! Es ist nicht so, dass die Straße, die uns der Taxifahrer zu Fuß entlang geschickt hat, ausgestorben war. Ein paar andere Leute waren auch noch verspätet auf dem Weg zum Geschehen, einige dubiose Gestalten haben auf der Straße gesessen, geschlafen oder auf ihre Weise Karneval gefeiert und aus dem ein oder anderen Haus, oder sagen wir besser: aus der ein oder anderen Fassade (danach kam in den meisten Fällen nichts mehr) hat jemand rausgeschaut – in meiner Theorie: auf der Suche nach Überfallopfern. Also ich muss sagen, wir haben uns das ganze Wochenende in Rio echt nie unsicher gefühlt, aber die paar hundert Meter waren schon ein wenig aufregend.

Am Sambodrom angekommen, schreit uns auch schon jemand „Ingressos“, also „Tickets“ entgegen. Ich zu Flo: "Gut, so läuft das jetzt halt, eine andere Wahl haben wir nicht. Wir müssen gleich mal den 1. fragen, was er dafür will.“ Und ich muss sagen: Gott sei dank haben wir uns die Tage zuvor im Internet gut informiert, was die guten Plätze sind, und v.a.: was die Tickets mal offiziell gekostet haben. Die „Verhandlungen“ gingen also so los,  dass er für die billigsten Plätze (Original: 10 Reais/Stück) 500 Reais von uns wollte. Und uns die auch noch als die besten Plätze angepriesen hat – dabei sind die Tribünen dort nach hinten versetzt, so dass man die Gruppen nur kurz am Schluss beim rauslaufen sieht. „Erzähl mir doch nichts, die Tribünen sind nix.“ Und schon wollte er uns die Tribüne für die Touristen für schlappe 800 Reais das Stück anbieten – die kosten normal 550. Touristen?? Sehen wir so aus?? Wir bevorzugen es mit den Brasilianern zu feiern! Und außerdem können wir auch morgen wieder kommen, wir müssen heute keine Tickets kaufen, zumal die Show ja schon begonnen hat... aber wer weiß, ob Du Deine Tickets heute noch losbekommst. Und jedes Mal, wenn ich abgewunken habe, wurde es zwar 50 Reais billiger, wir hatten am Ende alle Sektoren durch, aber mit dem Typen wollte ich dann doch kein Geschäft machen.

Nächste Anlaufstelle, eine Dame. Der habe ich wieder unsere Story erzählt, dass wir schon glauben, dass sie bei manch anderem Touri ihre Preisvorstellungen durchbekommen, aber wir zum einen die Sprache beherrschen und verhandlen können und zum anderen informiert sind, was das hier kosten darf. Und dass wir morgen sofort zur Polizei rennen, wenn sie uns gefälschte Tickets andrehen. Und überhaupt... Die haben uns dann 2 Tickets besorgt (scheint, dass es eine längere Versorgungskette ist, einer kauft zum Originalpreis, verkauft sie an Weiterverkäufer weiter, etc.), ich habe die kritisch auf Echtheit überprüft (nicht ganz so easy, wenn man nie ein Original gesehen hat) und wir haben letzten Endes 550 Reais für 2 Tickets bezahlt – ich fand, das war ein Erfolg.

Dann ging die Odysee weiter: der Eingang für unseren Sektor war nämlich auf der anderen Seite des Sambodroms, d.h. einmal bis zum Ende, wo wir den „Auslauf“ der Parade gesehen haben, wie die Müllabfuhr mit der Presse gleich einige Teile, die nicht mehr gebraucht werden oder kaputt sind, vernichtet. Echt tragisch! Und dann auf der anderen Längsseite wieder bis zu unserem Sektor zurück. Direkt an das Sambodrom grenzt eine kleine Straße, bewohnte Straße wohlbemerkt und deren Bewohner haben die Touriströme ebenfalls genutzt und kleine Straßenküchen und Verkaufsstände eröffnet. Es gibt von unserer Sambodrom-Umrundung daher keine Fotos, weil wir bis wir am Eingang waren, nicht das Gefühl hatten, dass es eine gute Idee wäre jetzt die Kamera rauszuholen. Wenn ihr versteht, was ich meine!? Unterwegs ist mir dann auch noch eingefallen, dass ich nicht mal eine Ausweiskopie dabei habe, was die Brasilianer gerne mit den Eintrittskarten sehen wollen. Das wärs noch gewesen!! Aber zum Glück hat das niemanden interessiert und –tatsächlich- unsere Tickets waren echt und somit waren wir drin!! Allein für diesen Adrenalinrausch war es unser Ausflug schon wert! Inzwischen waren es kurz nach 23 Uhr. Die 2. Schule war gerade dran und noch 5 standen uns bevor. Soviel vorab: und wir haben sie alle gesehen!

Ups, solange die Bilder auf den Blog hochgeladen werden, bereite ich gerade den Text in Word vor und stelle fest, dass ich schon 2 Seiten geschrieben habe und noch nicht mal am eigentlichen Event angekommen bin. Aber da müsst ihr jetzt durch!

Ich will hier nämlich mal kurz ein paar allgemeine Infos zu den Sambaparaden preisgeben. Das ist nämlich vor Ort dann doch irgendwie alles ganz anders, als wenn man ein paar Ausschnitte bei uns im Fernsehen sieht.
Es gibt 2 „Klassen“ von Sambaschulen: die Grupo Especial und die Grupo de Acesso. So wie 1. und 2. Bundesliga muss man sich das vorstellen. Sonntag und Montag finden die Paraden der Grupo Especial statt, wobei Sonntag Nacht 7 Gruppen und am Montag 6 Gruppen aufgetreten sind. Nach jedem Karneval steigt eine Schule ab und eine auf. Dieses Jahr sind 2 Gruppen abgestiegen, da letztes Jahr keine abgestiegen ist, weil aufgrund eines Brandes große Teile der Wägen zerstört worden waren. Aber das nur am Rande. Es ist also ein richtiger Wettbewerb, bei dem es auch um eine Menge Geld geht. Es gibt einige „Regeln“, die die Schulen bei ihrer desfile (Parade) beachten müssen. Zum Beispiel muss der Auftritt, also der Marsch durch die Sambameile, zwischen 65 und 82 Minuten dauern, sonst gibt es Punktabzug. Das sieht dann in der Praxis so aus, dass eine Uhr die Zeit stoppt, wenn eine Sambaschule am einen Ende der Meile reinläuft und die Uhr gestoppt wird, wenn der letzte Teilnehmer am anderen Ende wieder rausgeht. Habt Ihrs gewusst?  Und erst wenn die Schule komplett draußen ist, darf die nächste vorne wieder anfangen. Wir saßen im Sektor 10, relativ am Ende der Parade, d.h. wir haben die Gruppen immer relativ lange von vorne gesehen und erst nach 20-30 Minuten waren die bei uns. Aber das Prinzip ist ganz cool, denn so kann man sich zwischen den einzelnen Schulen immer kurz hinsetzen und ausruhen. Das ganze Spektakel fängt offiziell schließlich um 21 Uhr an und ging bis 7 Uhr in der früh. Krass, oder?

Dann ist es so, dass jede Sambaschule einen Samba speziell für den Auftritt im Sambodrom schreibt – passend zu einem selbst gewählten Thema. So hat sich eine Schule dem Schriftsteller Jorge Amado gewidmet, eine andere dem Maler Portinari, eine Angola, von wo angeblich der Samba nach Brasilien kam, usw. Samba bezeichnet übrigens zum einen den Musikstil, zum anderen den dazugehörigen Tanz. Dieser Samba geht ca. 5 Minuten und wird so lange wiederholt, bis die desfile fertig ist, also knapp über eine Stunde immer das gleiche Lied. Das heißt, dass nach kurzer Zeit die Leute mitsingen können, es liegen auch überall Liedtexte aus. Voll cool!

Ich poste Euch hiermal den Samba, der mir am besten gefallen hat, damit Ihr auch in  Stimmung kommt: heißt „Por ti, Portinari“ und ist von der Sambaschule „Mocidade“. Und wie gesagt: über 1 Stunde das gleiche Lied ;)
http://www.youtube.com/watch?v=w-ShmCTITz4
Das Video habe ich gemacht: ein Stückchen von der Parade, beim Auftritt der Gruppe Beija-Flor:

Jeder Auftritt besteht aus verschiedenen alas, also Teilen. Es dürfen zwischen 5 und 8 Wägen eingesetzt werden. Jede Gruppe muss auch noch einige weitere Bedingungen erfüllen, so gibt es immer eine „Comissao de frente“, Art Vorgruppe, die die Besucher auf das Thema einstimmen – die haben echt coole Sachen dargeboten. Es gibt immer ein Fahnenträgerpaar, eine Gruppe Baianas (Frauen aus dem Bundesstaat Bahia), usw. Und all diese Teile werden dann von der Jury bewertet.

Aber jetzt genug geschrieben, Ihr wollt ja sicher lieber Bilder sehen? Und davon gibt es natürlich einige...
Schaut Euch diese Wägen an! Ist das nicht der Hammer? Das hier soll übrigens die Kirche "Senhor do Bonfim" in Salvador sein 
Muuuito felizes!! - Seeeehr glücklich, dass alles geklappt hat.
Mitten drin statt nur dabei!
Wir hatten ja leider nur die kleine Kamera dabei, deswegen habe ich leider kein wirklich gutes Zoom-Foto von den leicht bekleideten Tänzerinnen :-( - und gut gebauten Tänzern :-)
Auch von hinten können sich die Wägen sehen lassen! 
Ein bisschen unscharf, ich gebs zu: aber man sieht, es ist genau so: viel nackte Haut und manchmal weiß man nicht, ob Mann, ob Frau
Diese Gruppe hat beim Thema mächtig daneben gelangt: und "Milch als Grundnahrungsmittel und daraus entstehende Produkte" genommen - wie sich später bei der Benotung rausstellte, sah die Jury das genau so. Die Wägen waren trotzdem schön! Und es hat während dem Auftritt nach Joghurt gerochen! Ohne Witz!
Das ist ein Beispiel für "Comissao de frente" der Gruppe Beija-Flor (Gewinner 2011)... 
... plötzlich kamen aus dem Drachenhals die Tänzer raus - das war schon nicht schlecht
Hier ging es gerade um die Schiffe, die die vielen Sklaven aus Afrika nach Brasilien gebracht haben und von denen viele noch auf der Fahrt gestorben sind. Ihr seht: Karneval bildet!!
Das Thema von Beija-Flor war der Bundesstaat "Maranhao" - dieser Wagen ist den Brauchtümen der Region gewidmet. 

Das war auch witzig: in einer der Pausen zwischen den Gruppen geht immer der Putztrupp durch. Aber diese 2 haben beschlossen, lieber selber ein bisschen für Stimmung zu sorgen, ein wenig Samba zum besten zu geben und sich einfach feiern zu lassen:

Diese comissao de frente der Gruppe "Vila Isabel" fand ich am besten: aus der Steppe kamen immer die unterschiedlichsten Tiere zum Vorschein - kann man leider auf dem Bild ganz schlecht erkennen
Langsam wird es hell im Sambódromo
Als letzte Gruppe war Vila Isabel mit Ihrem Thema: Angola dran
... und noch ein bisschen heller 
Chaos!
Und die Gringos immer noch fit und am Start!
Rio Carnaval 2012 - é isso mesmo! - Genau so ist´s!  
Vila Isabel hat es übrigens auf einen wohlverdienten 3. Platz geschafft - waren auch mit eine meiner Favoriten! 
Noch schnell mit den "Stars" posen... 
... und immer noch beste Stimmung auf den Rängen - auch um kurz vor 7 Uhr in der Früh! 
Acabou já? - Schon vorbei??? ;-((((
Sektor 10 würden wir wieder "buchen" - direkt gegenüber von uns haben nämlich immer die Baterias (Trommler) geparkt und gespielt (siehe Bild zuvor, vor der Pantene-Werbung), bis sie sich am Ende der Schule wieder eingereiht haben und ausmarschiert sind
die gegenüberliegende Tribüne hatte während der Parade die ganze Zeit Aussicht auf den Cristo (seht Ihr den kleinen Hügel rechts neben dem Flutlicht?)
... und beim Rausgehen haben wir beschlossen einfach mal der Masse nachzulaufen und...
... plötzlich waren wir selber mitten in der Sambameile und konnten selber noch desfilieren (frei eingedeutscht ;-) )

Am Mittwoch kam die Notenvergabe live im Fernsehen. Gewonnen hat leider eine Gruppe, die montags dran war, die wir also leider nicht gesehen haben. Schade! Aber trotzdem: Parabéns - Glückwunsch!

Aber ich kann Euch nur sagen: wer auch immer mal die Chance hat, zu Karneval nach Rio zu gehen. Machts!!! Das muss man gesehen haben!! Ein unvergessliches Erlebnis...